Die friderizianischen Schildpattmöbel : Vorbild, Transponierung und Innovation eines Möbeltyps am Hof Friedrichs des Großen
Die Frage, in welchem Maße französische Möbel vorbildhaft für die friderizianische Möbelproduktion wirkten, soll anhand der hier erstmals zusammengestellten Potsdamer Schildpattmöbel diskutiert werden. Der Bildhauer Johann Melchior Kambly (1718-1784) und der Ebenist Heinrich Wilhelm Spindler (1738-1788/99) waren zwei am Hofe Friedrichs des Großen tätige Künstler, die auf Wunsch des Königs Schildpattmöbel anfertigten. Kambly und Spindler wandten dabei nicht die klassische Boulletechnik aus Schildpattfurnier mit Messingeinlagen an, sondern sie fanden zu individuellen Interpretationen. Die Materialkombination Schildpatt-Goldbronze entfaltet die gleiche royale Konnotation höchster Qualität und nicht zu übertreffenden barocken Anspruchs. Die Themen der Spindler-Marketerien in Schildpatt, Perlmutt, Elfenbein und Horn unterscheiden sich nicht von dem, was diese Künstler gleichzeitig in Holz einlegten. Es sind die Merkmale Seltenheit, Kostbarkeit und Exotik der Materialien, die hier die wichtigste Rolle spielen, gepaart mit der unverwechselbaren Eigenheit der Möbeltypen. Bewegung und Tiefenwirkung, die Boulle mithilfe der gravierten Messingmarketerien erreicht, sind transponiert in Raumskulpturen, die sich als eigenschöpferische Kunstwerke in die Raumgestaltung eingliedern.