Reichstage und Friedenskongresse als Erfahrungsräume päpstlicher Diplomatie : Kulturelle Differenzerfahrungen und Wissensgenerierung
Obwohl die Reichstage des Alten Reiches mit ihrer europäischen Dimension und die multilateralen Kongresse als politische und soziale Handlungs- und Erfahrungsräume Unterschiede aufweisen, eröffnet ihre vergleichende Betrachtung spezifische Erkenntnispotentiale, denn die Einbeziehung beider Versammlungstypen erlaubt Beobachtungen in der longue durée über zwei Jahrhunderte hin. Reichstage und Kongresse sind als kulturelle Erfahrungsräume und als Orte der Generierung von Wissensbeständen über das Fremde durch Entwicklungsmuster geprägt, die tendenziell sinkende Alteritätserfahrungen erkennen lassen, sodass sich pointiert von einer „Ent-Fremdung“ dieser Räume sprechen lässt. Die vatikanische Überlieferung avancierte tendenziell zu einem Ort gespeicherten und operationalisierten Wissens über frühere Missionen. Wissensgeschichtlich bedeutsame Entwicklungsstufen sind im Verhältnis zu konfessioneller Alterität zu erkennen. Für die ersten Jahrzehnte der Reformation belegen die Nuntiaturberichte, dass über konfessionelle Grenzen hinweg die humanistische Gelehrtenwelt mit ihren Normen eine Kommunikationsplattform für den Austausch über gelehrte Konversationsinhalte bildete. Nach einer Verhärtung konfessioneller Fronten ist auf den Kongressen in Nimwegen und Baden wieder ein offenerer transkonfessioneller intellektueller Austausch zu beobachten, mit beträchtlichen Folgen für die Potentiale von Wissensproduktion und -zirkulation.