Recensio Moskau 2021-12 : Rezensionen zur internationalen Forschung zur russischen und deutschen Geschichte – Rezensionsreihe des DHI Moskau

Seit 2020 informiert das DHI Moskau interessierte russischsprachige Leser:innen durch jährliche thematische Schwerpunktsetzungen über aktuelle Trends und Themen in der deutschen Geschichtswissenschaft. Hierfür werden ausgewählte Rezensionen des Fachportals H-Soz-Kult ins Russische übersetzt. Die diesjährige Ausgabe ist aktuellen Monografien zur Geschichte der Medizin gewidmet und somit einem Forschungsbereich, dessen Fragestellungen aus den gegenwärtigen Ereignissen eine besondere Aktualität zuwächst. Die COVID-19-Pandemie hat schmerzlich erfahrbar gemacht, wie eng der Umgang mit Krankheit mit grundsätzlichen Fragen wie etwa nach (medizinischen und gesellschaftlichen) Kulturen der Prävention, dem Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Freiheit und Verantwortung, oder dem Verhältnis zwischen Bürger:innen und Staat verknüpft ist. Derartige Fragestellungen untersuchen Medizinhistoriker:innen nicht erst seit Beginn der Pandemie. Bereits seit dem späten 20. Jahrhundert eröffnen sich in der deutschsprachigen Medizingeschichte neben traditionellen Ansätzen, die vor allem auf eine Chronik medizinischer Errungenschaften abzielten, „Perspektiven für eine Sozial- und Kulturgeschichte der Moderne“. Diesen Zugriff einer „Medizingeschichte an sich“ (Thießen) weisen auch die hier vorgestellten Arbeiten auf, deren Themenspektrum sich von der Prävention und dem Management infektiöser Krankheiten bis hin zu einer Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts anhand des Umgangs mit der Krankheit Krebs erstreckt. Viele von ihnen zeichnen sich durch eine akteurszentrierte Herangehensweise und einen Fokus auf die lokale Ebene aus, wobei es ihnen aber zugleich gelingt, Einsichten in übergeordnete Zusammenhänge zu erzielen und zu zeigen, dass Medizin immer zugleich Produkt aber auch Akteur gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen ist.